H. Masashi (Hrsg.): Asian Port Cities 1600-1800

Title
Asian Port Cities 1600-1800. Local and Foreign Cultural Interactions


Editor(s)
Masashi, Haneda
Series
Institute of Oriental Culture Special Series 22
Published
Singapur 2009: NUS Publishing
Extent
233 S.
Price
$ 28.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Malte Fuhrmann, Orient Institut Istanbul

Auf der Suche nach einer Ausgangsbasis für eine postnationale, globale Geschichtsschreibung ist immer wieder auf die Meere zurückgegriffen worden und auf die Begegnungen, die an ihren Küsten, insbesondere in ihren Hafenstädten, stattfanden. Historiker und Historikerinnen haben das Mittelmeer, die Ostsee, den Atlantik oder den westlichen Indischen Ozean als Räume dargestellt, durch welche zahlreiche Verbindungslinien verlaufen, die sich in den Hafenstädten kreuzen oder verflechten. Nach diesem Ansatz geht auch der Historiker Haneda Masashi aus Tokio vor, der in diesem Buch eine Reihe von Städten am westlichen Pazifikrand und am östlichen Indischen Ozean einander gegenüberstellt. Den so konstruierten gemeinsamen Raum bezeichnet er als eine „maritime world“ oder alternierend auch als „maritime worlds“, um auf seine Diversität hinzuweisen. „Maritime world“ ist ein Begriff der älteren Meeresgeschichte, den auch Fernand Braudel benutzte. In der neueren Forschung tauchen außerdem Termini wie „seascape“ oder „oceanscape“ auf.1 Anders als Braudel betont Masashi jedoch, dass die „maritime world“ ein Arbeitsbegriff ist, um Interdependenzen sichtbar zu machen, und keine neue Metanarrative bilden soll.

Masashi möchte mit dem vorliegenden Buch einen Einblick gewähren in die japanische Hafenstadtforschung, die aufgrund sprachlicher Barrieren bisher außerhalb des Landes kaum bekannt ist. Allerdings befinden sich unter den Autorinnen und Autoren auch viele aus den abgehandelten Ländern oder aus den involvierten europäischen Kolonialländern. Er kritisiert die bisherige englischsprachige Globalgeschichtsschreibung als wirtschaftszentriert; ein Blick auf die neueren Publikationen zum Mittelmeer, zur Ostsee, zum Atlantik oder zum westlichem Indischen Ozean hätte dem Herausgeber jedoch gezeigt, dass die frühere Dominanz wirtschaftlicher Erklärungsmuster, insbesondere des von Immanuel Wallerstein propagierten Weltsystems, hier schon lange nicht mehr tonangebend ist, sondern dass die Wende zu kulturellen Fragestellungen des Transfers, der Migration, der Identität u.ä. hier prägend ist.2

Der Ansatz seines Bandes ist, im Gegensatz zu sonstigen Themenbänden über Hafenstädte, die oft zahlreiche interessante, aber unverwandte Einzeluntersuchungen aneinanderreihen, anhand eines gemeinsamen Fragenkatalogs eine begrenzte Anzahl von Städte, die zeitlich und räumlich klar umrissen sind, einer vergleichenden Untersuchung zu unterziehen. Die zehn Beiträge konzentrieren sich auf asiatische Häfen, die im 17. und 18. Jahrhundert Niederlassungen europäischer Handelsgesellschaften beherbergten. Der Fragenkatalog beinhaltet die räumliche Verteilung der Handelsgesellschaften sowie der anderen Fremden in der Stadt, der Kommunikation zwischen den Fremden und Einheimischen (Sprache, Übersetzungspraxis), den Handel (Verfahren und Bräuche der Abwicklung), Rechtlichem (Konflikte und formelle Verfahren ihrer Bewältigung), Geschlechtliches (Beziehungen zwischen Männer und Frauen unterschiedlicher Herkunft und Kindern aus gemischten Beziehungen), sowie allgemein der Kulturtransfer. Während in allen Beiträgen einige dieser Fragen wiederzufinden sind, ist der Fokus jedoch nicht einheitlich.

In seinem Beitrag vergleicht Masushi die Dolmetschertätigkeit in Nagasaki und Kanton. Während in der japanischen Hafenstadt die Dolmetscher eine durch die Regierung vorgesetzte Bürokratie darstellte, die auf diese Weise die niederländischen Händler zu kontrollieren suchte, waren die chinesischen Dolmetscher staatlich lizensiert, verfügten aber nur über rudimentäre Sprachkenntnisse. Der Autor sieht dies als Ausdruck der staatlichen Geringschätzung gegenüber Kontakten mit Ausländern an. Eine Gegenüberstellung mit dem persischen Bandar Abbas zeigt, dass China und Japan sich mit ihren eingehenden Kontroll- und Beschränkungsversuchen gegenüber den europäischen Händlern deutlich von dem laisser faire im westlichen Indischen Ozean unterschieden.

Matsui Yoko untersucht die Einführung der drakonischen Ausländergesetzgebung in Japan in den 1630er Jahren anhand der Erlasse und der Akten der niederländischen Vereinigten Ostindienkompanie (VOC). Ab diesen Jahren durften nur noch Chinesen und Niederländer in festgelegten Bezirken Nagasakis wohnen, Japanern war die Ausreise verboten, interethnische geschlechtliche Beziehungen und Kinder aus gemischten Beziehungen wurden schwer geahndet. Die Akten der VOC bestätigen, dass die Gesetze keine hohlen Drohungen darstellten, auch wenn gelegentlich den Holländern das Recht eingeräumt wurde, ihre Landsleute nach eigenem Recht abzuurteilen.

Liu Yong stellt hingegen bezüglich der VOC in Kanton fest, dass diese eher unter der traditionellen Verachtung des chinesischen Staates für den Handel und Ausländer zu leiden hatte. Gleichzeitig nötigte die Anwesenheit anderer europäischer Handelsgesellschaften zu Konkurrenz und zu einem korporativen Auftreten.

Zwei kunsthistorische Beiträge fallen teilweise aus dem Rahmen, veranschaulichen jedoch die interkulturellen Transfers. Ito Shiori vergleicht den westlichen und den chinesischen Einfluss auf die japanische Malerei im 18. Jahrhundert, während Liu Zhaohui aufzeigt, dass aufgrund des Produktionsrückgangs während der inneren Wirren der 1650er Jahre in China die japanische Porzellanproduktion deutlich zunahm und unter Verwendung ähnlicher Motive wie der chinesischen einen großen Anteil am Export nach Europa besetzen konnte.

Leonard Blussé beschreibt die niederländische Kolonialstadt Batavia (heute: Jakarta), eine planmäßig aufgebaute Stadt, die um 1700 die beeindruckende Zahl von 20.000 Einwohnern intra muros und 50.000 in den Vorstädten erreichte. Blussé zeigt, dass Batavia als Handelsdrehkreuz funktionierte, von wo aus zahlreiche Schiffe den innerasiatischen Im- und Export bedienten, während eine kleinere Zahl von Schifffahrten den Austausch mit Europa betrieb.

Bhawan Ruangsilp untersucht insbesondere die räumlichen und rechtlichen Aspekte der niederländischen Niederlassung in der siamesischen Hauptstadt Ayutthaya. Der siamesische König gestattete der VOC wie auch mehreren anderen ausländischen Gemeinschaften, ein eigenes Gebäude außerhalb der Stadt anzulegen, das sich zum Mittelpunkt eines eigenen Viertels entwickelte. Die Niederländer erreichten ein beschränktes und widerrufbares Maß an gesetzlicher Exterritorialität, welches die Autorin nicht als koloniales Sonderrecht, sondern als Einbinden der VOC in die Verantwortung für die öffentliche Ordnung interpretiert.

Søren Mentz differenziert bei seiner Betrachtung der Engländer in Madras zwischen der Zeit vor 1740 und danach. Während in der frühen Periode kaum Interaktionen mit der ortsansässigen Bevölkerung festzustellen sind und die Engländer durch die Unfähigkeit, sich an die klimatischen und hygienischen Verhältnisse anzupassen, auffallen (Tragen von Wollmänteln und Perücken, schwere fleischlastige Nahrung) und intime Beziehungen zu Inderinnen verpönt sind, begründet die stärkere Einmischung der British East India Company in Indien ein neues Bewusstsein. Die Anwesenheit einer größeren Anzahl britischer Soldaten, die Notwendigkeit, örtliche Bündnispartner zu gewinnen, und auch ein offener Umgang mit dem Phänomen der Kinder aus gemischten Beziehungen sind kennzeichnend für diese spätere Periode.

Philippe Haudrère stellt das Tagebuch von Ananda Ranga Pillai vor. Pillai war ein tamilischer Kaufmann, der 1747-1760 als dubash (courtier) diente, als ein Vermittler zwischen dem französischen Gouverneur von Pondicherry und der örtlichen Bevölkerung. Das Tagebuch, indem akribisch jede Unterhaltung protokolliert ist, gibt detaillierte Einblicke in die geschäftlichen Beziehungen wie auch religiöse oder auch interethnische Spannungen in der französischen Niederlassung.

Nagashima Hiromu schließlich untersucht ausführlich die räumliche Dimension der ausländischen Niederlassungen in der Gujarati Hafenstadt Surat und kommt dabei zur Schlussfolgerung, dass es keine geschlossenen ausländischen ‚Kolonien’ in der Stadt gab, dass also die Europäer ihre Niederlassungen an selbst gewählter Stelle innerhalb der Stadtmauern wählen konnten, wenn auch die Behörden ihnen gewisse Auflagen machten.
Der Versuch, die Autorinnen und Autoren zu einem einheitlichen Fragenkatalog zu verpflichten, ergibt eine bedingte Vergleichbarkeit der verschiedenen untersuchten Städte, insbesondere bezüglich der räumlichen Dimension. Insgesamt gesehen bleibt das Ergebnis jedoch heterogen: Während beispielsweise der Herausgeber selber in seinem Beitrag aus anderen Forschungen synthetisiert und die Frage nach Quellengrundlage und Methodik unbeantwortet lässt, hält sich hingegen Haudrère weitgehend an den Wortlaut seiner Quelle, von dem er nur gelegentlich abstrahiert. Ein tatsächlich einheitliches Vorgehen ist wohl auch nicht zu erreichen, da Quellenlage, Hintergrund und Interessen der Forschenden stets zu unterschiedlich sein dürften. Insbesondere eine ausgeprägtere methodische Reflexivität hätte dem Band gut getan. Nichtsdestotrotz stellt er einen spannenden Versuch dar, eine weitgehend untergegangene maritime Welt sichtbar zu machen.

Anmerkungen:
1 Braudel, Fernand, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., Bd. 2, Frankfurt 1998; Reinwald, Brigitte, Space on the Move. Perspectives on the Making of an Indian Ocean Seascape, in: Deutsch, Jan G.; dies. (Hgg.), Space on the Move. Transformations of the Indian Ocean Seascape in the Nineteenth and Twentieth Century, Berlin 2002.
2 Herausragend hier vor allem Fawaz, Leyla T.; Bayly, Christopher A. (Hgg.), Modernity and Culture. From the Mediterranean to the Indian Ocean, New York 2002; ferner Simpson, Edward Simpson; Kresse, Kai Kresse (Hgg.), Struggling with History. Islam and Cosmopolitanism in the Western Indian Ocean, London 2007; O’Reilly, William (Hrsg.), The Atlantic Ocean 1400-1850, London (erscheint 2011).

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23.07.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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